Japanische Bezeichnung
Um die Rollen von Tori und Uke zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die japanische Bezeichnung und Verwendung dieser Begriffe in japanischen Kampfkünsten.
Tori leitet sich aus dem Verb "toru", welcher z.B. mit "nehmen" oder "greifen" übersetzt werden kann und in sich eine "aktive" Handlung beinhaltet. Durch eine grammatikalische Regelung entsteht aus Verb "toru" ein Nomen "tori" und durch die Bedeutungsrichtung des Verbs in Kampfkünsten als jemand, der aktiv handelt bezeichnet.
Uke leitet sich aus dem Verb "ukeru", welcher z.B. mit "empfangen" oder "akzeptieren" übersetzt werden kann und eher "passive" Tätigkeit hervorruft. Daher wird der Uke als "Empfänger" bezeichnet.
In beiden Rollenbezeichnungen gibt es keinen Ansatz auf eine "echte" Kampfhandlung oder einen Wettkampf. Die Übersetzung als Angreifer oder Verteidiger, je nach Kampfkunstart (Karate, Judo, Aikido etc.) kann daher nicht ohne Grundverständnis der Rollen für Tori oder Uke verstanden werden.
Hintergrund
Um die Katas oder Techniken üben zu können sind festgelegten Rollen unverzichtbar. Es werden Angriffe und Verteidigungstechniken oder Gegenangriffe geübt. Obwohl diese Prozesse als selbstverständlich empfunden werden, hängt die Handlung des Tori oder des Uke stark von der eigentlichen Rollenwahrnehmung ab.
In Aikido und Judo (in Kata) ist Tori ein aktiver Partner welcher Techniken ausführt. Uke führt Griff oder Angriff aus und empfängt die Handlung des Tori und setzt Ukemi um. Tori verteidigt sich und führt Techniken aus.
In Karate ist Tori ein aktiver Partner, welcher Angriffe in Kihon Kumite oder Techniken in Bunkai (Anwendungstechniken in Katas) ausführt. Uke verteidigt sich oder empfängt die Techniken und macht Ukemi. Bei Gegenangriffen tauscht man die Rollen im bewussten Ablauf. Tori verteidigt sich und führt Gegenangriffe aus.
Es sind also Rollen, welche definiert sind, aktive Rolle für Tori oder passive Rolle für Uke. Diese Rollen müssen auch im gesamten Ablauf (z.B. bestimmte Kata oder Kihon Kumite) der Übung beibehalten werden, da sonst die Übung selbst durch freie Handlung unterbrochen wird. Kein Wettkampf.
Wenn man beide Begriffe "fest" mit Angreifer oder Verteidiger definiert, geht nicht nur Verständnis über weitere Handlungen verloren, sondern auch das Verständnis für die Bestimmung der Rollen selbst (was oft auch zu Missverständnissen der Kampfkunstanwendung oder Bedeutung führt).
Obwohl der Uke im Aikido den Angriff initiiert (aktiv), dient dieser Angriff nur dazu, dem Tori das aktive Üben zu ermöglichen und Uke selbst an Haltung, passiven Angriff, Verteidigung oder Ukemi zu arbeiten. Im Karate, wird aktive Rolle des Tori gleich technisch umgesetzt und Uke empfängt passiv die Technik oder führt passiv die Verteidigung aus.
Tori handelt aktiv, Uke handelt passiv, unabhängig, ob es um Angriff, Verteidigung oder Gegenangriff handelt.
Es ist also rein übungsorientierter Prozess und dient lediglich der Praxis.
Praxis
Für die erfolgreiche Praxis ist es also sehr wichtig, dass die eigene Rolle als Tori oder Uke kontinuierlich umgesetzt wird. Auch die Kampfkunstprinzipien wie Maai, Zanshin, Kuzushi usw. können auf diesem Wege, ohne sich dabei absichtlich zu verletzen, praktiziert werden. Die Steigerung des Schwierigkeitsgrades erfolgt dann je nach Fortschritt, in einer angemessenen Weise, immer weiter und muss eigenem Level der Übungspartner angepasst werden.
Wenn eine der beiden Rollen missbraucht wird, kommt es zu Stockung oder Unterbrechung der Übung, zu Missverständnissen oder sogar zu Verletzungen. Ein Wechsel der jeweiligen Rolle muss bewusst erfolgen.
Eine Praxis in einer höheren Erfahrungsstufe kann in unterschiedlichen Kampfkünsten auch ohne bewussten Festlegung, von Tori und Uke erfolgen, jedoch werden diese in der anschließenden Aktion erfasst. Solange die Formen selbst, die Rollen, die Techniken usw. festgelegt sind, kann die Praxis nur auf Basis der vollumfänglichen Umsetzung der eigenen Rolle funktionieren.
Eine aktive Handlung (z.B. ein Angriff) des Uke dient lediglich dazu dem Tori eine Grundlage zum ernsthaften Üben zu bieten und muss angemessen den Übungsumständen erfolgen. Im Endeffekt wird der Einsatz des Uke auch entsprechend im weiteren Ablauf anspruchsvoller, sobald dieser in die passive Phase übergeht und soll nicht unbedacht bleiben.
Auch die Aktion des Tori muss angemessen auf Uke wirken und bietet Uke die Basis für die Arbeit an eigenen Prinzipien.
Bei der Ausführung eines Gegenangriffs ist der Wechsel der Rollen den Übungspartnern bewusst.
In Wettkampf gibt es keinen Tori oder Uke.
Ungeachtet der Hingabe des Partners auf seine Aufgabe in seiner Rolle eigenständig den Ablauf der Übung zu ändern ist verantwortungslos. Auch die Ausnutzung der eigenen Rolle für irgendwelche eigensinnige Experimente ist arrogant.
Die Festlegung der Rollen beinhaltet damit die Ausübung des Respekts zueinander und es bittet den Übenden die Möglichkeit alles aus eigener Rolle zu lernen.
Autor: A.Ertis